Dienstag, 14. Oktober 2014

Vom Mill-Effekt im Schach


Letztens auf dem Weg zum Spiellokal traf ich Peter P. . Wir legten den Rest des Weges gemeinsam zurück und kamen ins Plaudern. Und irgendwann landeten wir bei einer Begebenheit, die im kollektiven Gedächtnis der deutschen Fussballfans abgespeichert: Die vergebene Torchance von Frank Mill im Jahre hier

Immer wieder gerne gesehen und gelacht. Aber wenn es einen dann selber trifft, findet man das keineswegs so witzig. Wie ich wenige Stunden danach leidvoll selber erfahren sollte:



Mein Gegner hatte gerade g3 gezogen und ich verspürte wenig Lust den Läufer nach h6 oder b8 zurückzuziehen. Und so entschloss ich mich kurzerhand zu einem Linienopfer. Hatte ich es doch jüngst das Thema in einem Unterricht noch behandelt 
20. …Sh5!
Das Schachprogramm Rybka 3 ist übrigens der gleichen Ansicht, schlägt aber alternativ auch noch 20. ...Tfc7 vor

21. gxf4
Weiß nimmt die Herausforderung an

... Sxf4 22. Te3 Tfc7 23. Se5 Dh5



Auch wenn hier Rybka 3, jedenfalls nach kurzer Berechnungszeit, noch einen relativ geringen Vorteil anzeigt, so denke ich doch, dass hier der schwarze Vorteil schon recht groß ist. Die schwarzen Figuren sind äußerst aktiv und teilweise schon in recht bedenklicher Nähe des weißen Königs. Die weißen Figuren sind ohne großes Zusammenwirken übers Brett verteilt. Zudem befand sich mein Gegner in hochgradiger Zeitnot

24. Le7?

Dieser Zug ist zwar taktisch abgesichert, erlaubte mir aber nun den c-Turm mit Tempo nach h6 zu bringen

... Te8! 25. Lb4 Te6!

Hier war ich mir relativsicher, dass ich die Partie gewinnen würde. Denn nach 26. ...Th6 besteht kaum noch Hoffnung auf Rettung. Mein Gegner zog blitzschnell

26. Sd2

Ich war etwas überrascht, weil ich eher mit so etwas wie 26. Db5 gerechnet hatte. Dies hätte die Partie wohl nicht gerettet, aber noch mal gewisse Schwierigkeiten bereitet wegen des Zwischenmatts auf e8





26. .... Sxd2??

Da haben wir ihn, den Mill-Effekt im Schach. Rybka 3 veranschlagt hier +17, was ungefähr dem Mehrwert von zwei Damen entspricht. Aber nur wenn man das naheliegende und richtige 26. ... Th6! spielt (siehe Diagramm)


Nach 27. Sdf3 Dh3! bleibt nur das Rückopfer 28. Sh4 ohne dass nach 28. ... Dxh4 der Mattdruck nachlassen würde. Es wäre Weiß wohl nichts Anderes als die Aufgabe der Partie geblieben. Nach meinem Partiezug, den ich für einen klaren Weg zum Matt hielt, erwartete mich eine Überraschung

27. Lxd2 Th6
Hier erwartete ich ehrlich gesagt die Partieaufgabe. Aber mein Gegner zog unbeeindruckt

28. h3

und ich

... Sxh3 29. Txh3 Dxh3


Während mein Gegner kurz nachdachte und ich mich irritiert fragte, warum er nicht aufgab, sah ich plötzlich den Haken an meiner gewählten Fortsetzung. O weia! Der Th6 hing Mein Gegner zog dann auch
30. Lxh6
Nach einem Moment des irritierten Blickens aufs Brett erkannte ich, dass sich eigentlich nicht viel geändert hatte
30. ... gxh6

Und wieder droht Matt. Mit nur noch wenigen Sekunden Bedenkzeit auf der Uhr spielte mein Gegner

31. Sd7!

Der Springer ist tabu wegen Dc8+ und versperrt dem Turm den Weg nach g7

31. ... f4

Ein neues Mattbild droht



32. De2!
Wiederum der beste Zug. Spätestens hier begann es mir zu dämmern, dass ich wohl a la Mill das „leere Tor“ nicht getroffen und den Ball an den Pfosten gesetzt hatte.
32. ... Txd7 33. De8 + Kg7 34. Te1
Hier resignierte ich mehr oder weniger und wollte nun ins Remis einlenken

34. ... Dg4+ 35. Kf1 Dh3+ 36. Kg1 Dg4+ 37. Kf1 Dh3+




Hier erwartete ich nun den Remisschluss, aber mein Gegner zog überraschend tempo

38. Ke2!?

Angesichts der überstandenen Not und immer noch wenigen Sekunden auf der Uhr ganz schön keck

... Df5?!

Mittlerweile war meine Zeit auch schon runtergelaufen, so dass ich auch schnell ziehen musste. Dg4 wäre besser gewesen, da es nicht die g-Linie aufgeben hätte

39. Tg1+!

Jetzt bloss nicht die Partie noch verlieren, ging mir durch den Kopf

... Kf6 40. Dg8+  Ke7 (Zeitkontrolle) 41. Tg7+ Kd6 42. Db8+ Ke6



Weiß kam hier nicht mehr weiter und wir einigten uns hier auf Remis 

Was für eine Partie! Ein am Ende glückliches Remis, was sich aber irgendwie wie eine Niederlage anfühlte. Nun kann man sagen Pech gehabt, aber so einfach will es mir dann doch nicht machen. Es mag ja eine höhere Fügung gewesen sein, aber auch ein erkennbarer Leichtsinn. Als ich die Wahl zwischen 26.... Sxd2?? und 26....Th6! zu treffen war, hatte ich - im Gegensatz zu Frank Mill - noch genug Zeit um mir die Sache in Ruhe anschauen zu können. Stattdessen entschied ich ich mich recht schnell für den Fehlzug und wurde abgestraft.

Im Nachhinein kann ich schon wieder drüber lachen. Es war eine Erfahrung, die mir sicherlich im Gedächtnis haften bleiben wird.



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