Montag, 10. Februar 2014

Ein Superbauer auf der siebten Reihe



Ein auf der siebten (oder zweiten) Reihe und in der Nähe des gegnerischen Königs stehender Bauer erzeugt oft taktische Möglichkeiten, wie zum Beispiel in folgender Laskerstudie


Tc8+ Txc8 2. Dxa7! Kxa7 3. bxc8S+!


Eine sogenannte Umwandlungskombination, die das Potential des Bauern auf der siebten Reihe zeigt.

Etwas Ähnliches sehen wir auch im nächsten Beispiel:




XRichter- N.N


1. Sf5+ Kf6? (besser Ke8) 2. e7! Lxf5? 3. e8S matt


Erneut brachte hier die Umwandlung des Bauern in einen Springer den Sieg. Bei Umwandlung in eine Dame wäre Weiß dagegen mittels 3. … Th2+ selber matt gesetzt worden.

Im gerade zu Ende gegangen Turnier in Zürich spielte der Bauer auf der siebten Reihe in zwei Partien eine große Rolle. Beide Male war der neue Weltmeister Carlsen beteiligt:




Carlsen-Caruana


42. Da4! Te3 43. Da8+ Kd7 44. Db7+ Ke8 45. d7+ Kd8 46. Lh4+ Te7


Den Bauern auf der siebten Reihe benutzend wickelte Weiß in ein gewonnenes Endspiel ab
Dc8+!
Hier wollte sich Caruana nicht noch 47. … Dc8 48. exc8D+ Kxc8 49. Lxe7 zeigen lassen und gab deshalb auf.

In dem zweiten Carlsen-beispiel hätte ihm ein auf der siebten Reihe stehender Bauer zum Verhängnis werden können



Nakamura-Carlsen
Schon ein einfacher Blick genügt um zu erkennen, dass Schwarz am Königsflügel nach Öffnung der h-Linie mächtig unter Druck geraten wird. So entschloss Carlsen sich zu einem zeitweiligem Figurenopfer
26. … Lxb2!? 27. Lxb2 Sbxc4 28. Lxc4 Sxc4 29. hxg6!
Nun ist die h-Linie aufgegangen. Nach dem normalen 29. fxg6 30. De6+
wäre der weiße Vorteil deutlich gewesen. Z.B nach 30. Df7 31. Txh7! Deshalb entschied sich Carlsen wohl die Sache etwas unklarer zu gestalten
29. … Db6
Hier nun hätte Nakamura nach dem natürlichen 30. gxf7+ einen deutlichen Vorteil gehabt. Er entschied sich aber für
30. g7



Mir gefällt dieser „Implementierung“ des Bauern in der gegnerischen Königsfestung. Der Angriff auf der h-Linie droht eine schnelle Entscheidung zu bringen. Was auch den Unterschied zu 30. gxh7+? Kh8! ausmacht. Der König stünde hinter dem fremden Bauer vorerst sicher
30. … Td8 31. Dh4 Txb2 32. Ka1 Txh2 33. Txh2 Dg6 34. Sf5! Te8 35. Dg4 Db6 36. Dh3 Dg6


Bis hierhin hatten Nakamura alles richtig gemacht. Aber nun, wohl auch in Zeitnot, versäumte er den Gewinn. Nach 37. Df1! b5 hätte er den implementierten Bauer auf g7 sehr schön benutzen können



38. … Txh7!!
Danach hätte es keine Rettung mehr für Carlsen gegeben: 38. … Dxh7 39. Sh6+! Kxg7 40. Dxf7 +- oder 38. … Kxh7 39. Dh3+! +-
Etwas undramatischer hätte übrigens 38. Ka2! Gewonnen. Schwarz hätte keinen vernünftigen Zug mehr gehabt, Eine Art Zugzwang bei halbvollem Brett



Nakamura spielte
37. d6?
und nach 37. … Sxd6 38. Sxd6 Td8 39. Sc4 Dxe4 war Carlsen wieder im Spiel und gegen den wohl geschockten Nakamura gelang ihm dann sogar noch ein Sieg

Wie man einen implementierten Freibauern auf g7 mittels Turmopfer seine volle Wirkung entfalten lassen kann, demonstrierte einmal Exweltmeister Kasparov:



Kasparov-Csom

17. g5! S6d7 18. h4! Se5 19. h5 f6 20. Se4 fxg5 21. Lxg5 Db6 22. h6 Sf7 23. hxg7 Sd7


Schon erstaunlich wie Kasparov innerhalb von nur sechs Zügen die gegnerische Königsfestung erschüttert hat. Nun sicherte er erst einmal den Bauern g7
24. Sf6+ Sxf6 25. Lxf6
Wahrscheinlich hatte er hier schon das spätere Turmopfer auf h7 im Auge
25. … Db5 26. Th1! Lb6 27. Df3 Se5 28. Sf5!
Ein schönes Damenopfer
28. …. Sf7
Die Annahme des Opfers hätte nach 28. … Sxf3?? 29. Sh6+ zu einem wunderschönen Mattbild geführt


Aber auch so spielte Kasparov thematisch
29. Txh7!


Das Matt nach 29. … Kxh7 30. Dh5+ Kg8 31. Dh8+! Sxh8 32. gxh8D+ Kf7 33. Dg7 wollte Csom sich dann nicht mehr zeigen lassen

In meinem letzten Beispiel geht es wieder etwas undramatischer zu




Sutovsky-Laznicka

Hier stiftet der f6-Bauer „Unfrieden in der gegnerischen Stellung. Das Matt auf g7 liegt immer in der Luft. So muss die schwarze Dame immer in Verbindung mit dem Feld f8 bleiben
27. Kf1!
Nun droht 28. Txe3 wegen der Abhängigkeit der Dame von f8
Tad8 28. Txe3
Mit dem König auf g1 würde jetzt einfach Dxe3+ kommen und die Dame hätte Zeit nach c5 zurückkehren zu können
Txd3
Um h5 spielen zu können ohne dass der Ld3 auch noch gegen die geschwächte Königsfestung gerichtet ist.
29. Txd3 h5 30. Dg5 Le4 31. Td4 Lxc2 32. Dh6 Df8 33. Dg7+


Hier strich Schwarz bereits die Segel. Aber das Endspiel wäre auch hoffnungslos gewesen. Der Superbauer auf g7 ist eine ständige Gefahr für den König und schränkt König und Turm in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Zum Beispiel in folgender recht logischen Variante: 33. … Dxg7 34. fxg7 Lb1 35. c5! Lxa2 36. Td6 a5 37.c6 Tc8 38. c7!

Wegen des Grundreihenmatts ist der c-Bauer tabu. Aber es droht sowieso Td8+ mit Gewinn

Resümee: Ein im gegnerischen Lager postierte Bauer auf der siebten Reihe kann ein Superbauer und eine Quelle für vielfältige taktische Möglichkeiten sein

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen