Triumph
einer konsequent beibehaltenen Spielstrategie
Im
Schach ist es selten so, dass man einen einmal gefassten Plan von
Anfang bis zum Ende durchziehen kann. Meist ist es so, dass man ihn
im Laufe einer Partie an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen oder
manchmal sogar komplett ändern muss.
Pläne
sollten andererseits aber auch keine „Produkte“ von Launen und
Impulsivität sein. Sie sollten auf gesunder Beurteilung von
Stellungsmerkmalen und logischen Spielstrategien basieren.
Wie in dem nachfolgenden Beispiel:
Spasski-
Petrosian (1969)
Der
geübte Spieler sieht hier mit einem Blick, dass die weißen Chancen
auf dem Freibauern in der Mitte und der Möglichkeit eines
Königsangriffs bestehen. Idealerweise sollte man beides
miteinander kombinieren.
Die
schwarzen Chancen liegen ganz eindeutig auf dem Damenflügel. Denn
dort hat er einen Mehrbauern und beherrscht er die c-Linie.
Idealerweise hätte er gerne den Springer auf d6 stehen. Dort würde
er den Freibauern blockieren und könnte auch bei einem
Königsangriff in der Verteidigung helfen. Und so wird sich
Petrosian wohl auch mit dem Überführungszug 19. … Sb7
beschäftigt haben. Eine mögliche Fortsetzung wäre dann
gewesen: 20. Sg5! g6 21. Dh3 h5 22. Se4 f5 23. d6! Dc2 24. d7 Tc6
25. Sg5
Es ist offensichtlich,
dass aus dem Traum von einem Blockadespringer auf d6 nichts
geworden ist. Der Freibauer steht schon „ante portas“ und auch um
den schwarzen König herum ist es recht „luftig“ geworden.
Ganz offensichtlich
stellt die Sg5-Idee eine ernste Bedrohung für Schwarz dar.
Und so entschloss er sich, der etwas den Wind aus den Segeln zu
nehmen
19.
… Dc2
Damentausch oder
Bauerngewinn zulassen? So lautete hier die Frage für Spasski. Nach
20. Dxc2 Txc3 21. Te7 a6 22. Ta7 Txa2 23. Txa6 Tb2 24. Se5
wäre der weiße Vorteil
bestehen geblieben. Aber er hätte alles auf die Karte Freibauer
setzen müssen. Dies schien ihm nicht genug zu sein, denn er
vermied den Damentausch und spielte
20.
Df4!?
Viele Amateurspieler
würden vor solch einem Bauernopfer vielleicht
zurückschrecken. Aber Spasski wollte sich hier die zweite Option
Königsangriff nicht nehmen lassen. Und folgte weiter der
ursprünglichen Spielstrategie
20.
… Dxa2 21. d6 Tcd8
Das ist schon ein erstes
Zugeständnis. Der Turm stand auf der c-Linie recht aktiv, wird aber
nun zur Verteidigung gegen den vorstürmenden d-Bauern benötigt.
22.
d7 Dc4 23. Df5
Vergleicht man dieses
Diagramm mit dem Ausgangsdiagramm, so hat es zwei einschneidende
Veränderungen gegeben. Der a-Bauer ist vom Brett verschwunden und
der d-Bauer hat mittlerweile die siebte Reihe erreicht.
Vielleicht noch einmal
zur grundsätzlichen Erinnerung: Ein Freibauer auf der zweiten
oder siebten Reihe stört (im Mittelspiel) erheblich die gegnerische
Figurenkoordination und schafft taktische
Möglichkeiten
23.
… h6
Schwarz möchte Sg5
verhindern, um die zweite Option der weißen Spielstrategie, den
Königsangriff, einzuschränken. Aber es gibt Weiß ein Tempo, um an der ersten Option (Freibauer) erfolgreich weiter zu basteln
24.
Tc1!
Dieser Turmschwenk ist
sehr sinnvoll. Der Turm strebt nach c7 oder c8.
24.
… Da6 25. Tc7
Schon der rein optische
Eindruck macht deutlich, dass die schwarze Figurenkoordination
erheblich durch den d-Bauern gestört wurde. Die schwarzen Figuren
stehen ohne große Wirkung auf der Grundreihe und am Rand. Im
Gegensatz dazu sind die weißen Figuren zentral aufgestellt und üben
eine gewisse Wirkung aus.
25.
… b5 26. Sd4 Db6
Dies sieht wie ein
gefährlicher Doppelangriff. War Weiß zu leichtsinnig?
27.
Tc8!
Der Springer ist tabu
wegen 27. … Dxd4 28. Txd8 Txd8 29. Te8+! Und „Aus die
Maus“! Ein Beweis für die vorhin gemachte Aussage, dass ein weit
vorgerückter Freibauer taktische Möglichkeiten schafft
29.Sxd8
Sxf5 30. Sc6!
Die Umwandlung des d-Bauern ist nicht mehr zu verhindern. Weiß wird am Ende aller möglichen Abwicklungen immer mindestens einen Mehrturm haben.
Die Umwandlung des d-Bauern ist nicht mehr zu verhindern. Weiß wird am Ende aller möglichen Abwicklungen immer mindestens einen Mehrturm haben.
1-0
Resümee: Weiß hatte an entscheidender Stelle an seiner Spielstrategie ( Freibauer + Königsangriff) festgehalten, auch wenn dies mit einem Bauernopfer (a2) verbunden war. Der Erfolg gab ihm recht. Wobei er von der Option Königsangriff noch nicht einmal Gebrauch machen musste.
So
möge man diese Partie als Ermutigung verstehen, an einer
grundsätzlich richtigen und chancenreichen Spielstrategie
festzuhalten, auch wenn der Weg der Umsetzung noch nicht so klar ist
und vielleicht dem Gegner auch gewisse Zugeständnisse (Mehrbauer)
gemacht werden müssen.
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