Mittwoch, 22. Januar 2014



Triumph einer konsequent beibehaltenen Spielstrategie

Im Schach ist es selten so, dass man einen einmal gefassten Plan von Anfang bis zum Ende durchziehen kann. Meist ist es so, dass man ihn im Laufe einer Partie an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen oder manchmal sogar komplett ändern muss.

Pläne sollten andererseits aber auch keine „Produkte“ von Launen und Impulsivität sein. Sie sollten auf gesunder Beurteilung von Stellungsmerkmalen und logischen Spielstrategien basieren. Wie in dem nachfolgenden Beispiel:


Spasski- Petrosian (1969)


Der geübte Spieler sieht hier mit einem Blick, dass die weißen Chancen auf dem Freibauern in der Mitte und der Möglichkeit eines Königsangriffs bestehen. Idealerweise sollte man beides miteinander kombinieren.

Die schwarzen Chancen liegen ganz eindeutig auf dem Damenflügel. Denn dort hat er einen Mehrbauern und beherrscht er die c-Linie. Idealerweise hätte er gerne den Springer auf d6 stehen. Dort würde er den Freibauern blockieren und könnte auch bei einem Königsangriff in der Verteidigung helfen. Und so wird sich Petrosian wohl auch mit dem Überführungszug 19. … Sb7 beschäftigt haben. Eine mögliche Fortsetzung wäre dann gewesen: 20. Sg5! g6 21. Dh3 h5 22. Se4 f5 23. d6! Dc2 24. d7 Tc6 25. Sg5




Es ist offensichtlich, dass aus dem Traum von einem Blockadespringer auf d6 nichts geworden ist. Der Freibauer steht schon „ante portas“ und auch um den schwarzen König herum ist es recht „luftig“ geworden.

Ganz offensichtlich stellt die Sg5-Idee eine ernste Bedrohung für Schwarz dar. Und so entschloss er sich, der etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen

19. … Dc2
Damentausch oder Bauerngewinn zulassen? So lautete hier die Frage für Spasski. Nach 20. Dxc2 Txc3 21. Te7 a6 22. Ta7 Txa2 23. Txa6 Tb2 24. Se5


wäre der weiße Vorteil bestehen geblieben. Aber er hätte alles auf die Karte Freibauer setzen müssen. Dies schien ihm nicht genug zu sein, denn er vermied den Damentausch und spielte

20. Df4!?
Viele Amateurspieler würden vor solch einem Bauernopfer vielleicht zurückschrecken. Aber Spasski wollte sich hier die zweite Option Königsangriff nicht nehmen lassen. Und folgte weiter der ursprünglichen Spielstrategie

20. … Dxa2 21. d6 Tcd8
Das ist schon ein erstes Zugeständnis. Der Turm stand auf der c-Linie recht aktiv, wird aber nun zur Verteidigung gegen den vorstürmenden d-Bauern benötigt.

22. d7 Dc4 23. Df5



Vergleicht man dieses Diagramm mit dem Ausgangsdiagramm, so hat es zwei einschneidende Veränderungen gegeben. Der a-Bauer ist vom Brett verschwunden und der d-Bauer hat mittlerweile die siebte Reihe erreicht.
Vielleicht noch einmal zur grundsätzlichen Erinnerung: Ein Freibauer auf der zweiten oder siebten Reihe stört (im Mittelspiel) erheblich die gegnerische Figurenkoordination und schafft taktische Möglichkeiten

23. … h6
Schwarz möchte Sg5 verhindern, um die zweite Option der weißen Spielstrategie, den Königsangriff, einzuschränken. Aber es gibt Weiß ein Tempo, um an der ersten Option  (Freibauer) erfolgreich weiter zu basteln

24. Tc1!
Dieser Turmschwenk ist sehr sinnvoll. Der Turm strebt nach c7 oder c8.

24. … Da6 25. Tc7





Schon der rein optische Eindruck macht deutlich, dass die schwarze Figurenkoordination erheblich durch den d-Bauern gestört wurde. Die schwarzen Figuren stehen ohne große Wirkung auf der Grundreihe und am Rand. Im Gegensatz dazu sind die weißen Figuren zentral aufgestellt und üben eine gewisse Wirkung aus.

25. … b5 26. Sd4 Db6
Dies sieht wie ein gefährlicher Doppelangriff. War Weiß zu leichtsinnig?

27. Tc8!
Der Springer ist tabu wegen 27. … Dxd4 28. Txd8 Txd8 29. Te8+! Und „Aus die Maus“! Ein Beweis für die vorhin gemachte Aussage, dass ein weit vorgerückter Freibauer taktische Möglichkeiten schafft

27 … Sb7 28. Sc6! Sd6



29.Sxd8 Sxf5 30. Sc6!
Die Umwandlung des d-Bauern ist nicht mehr zu verhindern. Weiß wird am Ende aller möglichen Abwicklungen immer mindestens einen Mehrturm haben.

1-0


Resümee: Weiß hatte an entscheidender Stelle an seiner Spielstrategie               ( Freibauer + Königsangriff) festgehalten, auch wenn dies mit einem Bauernopfer (a2) verbunden war. Der Erfolg gab ihm recht. Wobei er von der Option Königsangriff noch nicht einmal Gebrauch machen musste.

So möge man diese Partie als Ermutigung verstehen, an einer grundsätzlich richtigen und chancenreichen Spielstrategie festzuhalten, auch wenn der Weg der Umsetzung noch nicht so klar ist und vielleicht dem Gegner auch gewisse Zugeständnisse (Mehrbauer) gemacht werden müssen.


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